Vergleich: Kaya Yanar / Muhsin Omurca

Das Lachen der Subalternen
Die Ethno-Comedy in Deutschland

von Lars KOCH

Unter dem Begriff ‚Ethno-Comedy’ werden Bühnen- und Fernsehformate zusammengefasst, die sich – oftmals von Künstlern mit Migrationshintergrund präsentiert – mit Ethnizität und Identität auseinandersetzen. Der folgende Beitrag beschreibt verschiedene Tendenzen der transkulturellen Komikproduktion. Im Mittelpunkt stehen dabei die Comedy- bzw. Kabarettprogramme von Kaya Yanar und Muhsin Omurca.

Humor ist kultur- und kontextabhängig. Wer die Witze einer Kommunikationsgemeinschaft analysiert, kann viel über ihre grundlegenden Kategorien der Welterschließung und die Art und Weise erfahren, wie sie das Geschlechterverhältnis denkt, welche moralischen Ansichten sie akzeptiert und in welchen sozialen Mischungsverhältnissen ihr Miteinander organisiert ist. Witze etablieren auf ihre Weise Machtbeziehungen und stellen unter den Lachenden Einvernehmen über den Gegenstand oder die fiktive Person des Spotts her.

Ein Feld, auf dem sich die Risiken und Chancen gelungener Witz-Kommunikation besonders gut beobachten lassen, ist das des transkulturellen Humors. Wie nirgendwo sonst, kann es hier aufgrund der von vornherein bestehenden kulturellen Interferenzen gelingen, Grenzen produktiv zu überschreiten. Identitäten und Festlegungen kreativ zu unterminieren und Erscheinungsformen politischer Korrektheit in ihrem klassifizierenden und oftmals ungewollt auch deklassierenden Denken zu decouvrieren. Beim deutschsprachigen Publikum erfolgreiche Entertainer wie Erkan Maria Moosleitner, Feridun Zaimoglu oder auch Django Asül nutzen ihren individuellen Migrationshintergrund, um in einem Wechselspiel der Identitäten allgemeine Erwartungshaltungen zu unterlaufen ihr Publikum zu irritieren und sich damit über den Weg der Satire und der Ethno—Comedy einen finanziell wie politisch relevanten Platz in der bundesdeutschen Medienöffentlichkeit zu erobern. Neben dem natürlich für jeden hauptberuflichen Comedian wichtigen Resonanzkalkül realisiert sich der transkulturelle Humor in Deutschland auch vor dem Hintergrund emanzipatorischer Bemühungen der Migranten der 2. und 3. Generation. Der gut gemeinte Multikulturalismus, der in den 1980er und 1990er Jahren den Migrationsdiskurs in der deutschen Öffentlichkeit bestimmt hatte, zeichnete sich trotz aller Toleranzemphase hintergründig durch einen massiven Paternalismus aus, der — auf einem impliziten Essentialismus fußend — faktische soziale Ausgrenzungen ignorierte und in der medialen Reproduktion einer „sprachlosen Präsenz“ zudem das Anderssein der Migranten festschrieb. In medialen Repräsentationsformen des Migrantenschicksals — Feridun Zaimoglu benennt in diesem Zusammenhang die diskursive Praxis des Multikulturalismus spöttelnd als eine „Art Insektenforschung‘“ — ist in etwa bis Mitte der 1990er Jahre immer klar gewesen, wer Subjektstatus r sich beanspruchen konnte und wer bloßes Objekt von Integrationsbemühungen war.

Ethno-Comedy als Spiel mit Ambivalenzen

Die Ethno-Comedy südosteuropäischer Akzentuierung, die im Zuge der Globalisierung amerikanischer Unterhaltungsformen auch in Deutschland popularisiert wurde‚ unterläuft gezielt die fortgesetzte Grenzziehung zwischen subalternen Migranten und dominierender Umgebungsgesellschaft. Und zwar dadurch, dass sie im Medium der sich selbst immer wieder karikierenden Zuspitzung einerseits gängige Stereotype radikalisiert und darüber hinaus in Szenarien kultureller Hybridität davon erzählt, dass Verhaltenseindeutigkeit Illusion und kulturelle Identität ein lrrglaube ist. Häufig geschieht dies indem Künstler mit Migrationshintergrund die von Gayatri Spivak beschriebene Zone der medialen Stille verlassen, um sich lautstark einer Zuschreibungspraxis zu widersetzen, in der sie sich – ihrem Status als Subalterne gemäß – einzig in Formen von Viktimisierung und Exotisierung repräsentiert finden. Zu diesem Zwecke kombinieren die Ethno-Comedians in ihren Shows offensiv äußere körperliche Attribute und räumliche Settings mit Verhaltens- und Redeweisen, die die Zuschauer so nicht erwartet hätten.

Wenn Ethno-Comedy als Spiel mit Ambivalenzen verstanden werden kann – auf der einen Seite als Osszilationspol das Bedürfnis nach Identität, auf der anderen Seite als Gegendruck das Verlangen nach Anerkennung durch Differenz -‚ dann leitet sich hieraus die Einsicht ab, dass Identifikation niemals abgeschlossen ist, sondern ihr vielmehr ein prozessualer Charakterzug innewohnt. Die Akzeptanz, die den Vertretern transkulturellen Humors seitens des Publikums und – hiermit einhergehend – auch den Medien entgegengebracht wird, hat mit der Art und Weise zu tun‚ wie die Sichtbarmachung von Stereotypen und Differenzen funktioniert. Die Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Hierarchien wird in ein Lachen überführt, das von möglichen Spannungen entlastet und eine punktuelle Identifikation zwischen Publikum und Comedian herstellt. Dadurch lenkt der ‚Ethno-Humor‘ die Aufmerksamkeit zwar gezielt auf (aus seiner Sieht zu negierende) Strategien der Subjektkonstitution. Er tut dies aber in einem Gestus der guten Laune, der Dialogbereitschaft signalisiert und im performativen Miteinander eine sich wiederholende Differenz zwischen kritisiertem Stereo und Stereotypenträger setzt. Auf diese Weise gelingt es r die Dauer einer Vorstellung, eines Sketches oder eines Comic-Strips, die Identität der Zuschauer zu suspendieren und die Trennung zwischen Spöttern und Verspottetem zu verwischen. Gelacht wird nunmehr weniger über ‚die Anderen‘, als vielmehr über das Stereotype in uns selbst bzw. in unserem Verhalten und unserem Denken.

Gesellschaftliche Ein- und Ausschlussverfahren

Ein gutes Beispiel für diese Absetzungsbewegung aus der ,Identitätsfalle‘ heraus ist die im deutschen Fernsehen seit 200l unter großem Publikumszuspruch ausgestrahlte Serie Was guckst du?! Des selbsternannten ‚Turkoarabers‘ Kaya Yanar, der in seiner Fernsehshow ein ganzes Ensemble verschiedener Ethno-Figurationen samt der ihnen klischeehaft zugeschriebenen nationalen Eigenarten zur Ansicht bringt Neben den Figuren des italienischen Machos Francesco, der schicksalsgläubigen russischen Wahrsagerin Olga und des immer in Begleitung seiner Kuh Benitah auftretenden Inders Ranjid ist es vor allem der machohaft überzeichnete türkische Türsteher Hakan, der in der deutschsprachigen Popkultur mit seinem programmatischen Satz „Ey
Du! Du kommst hier net rein!“ zu einer stichwortgebenden 
Orientierungsmarke jugendlicher Verhaltensmuster geworden ist.

«Es ist vor allem der machohaft überzeichnete türkische Türsteher Hakan, der in der deutschsprachigen Popkultur mit seinem programmatischen Satz ‚Ey Du! Du kommst hier net rein! ‘zu einer stichwortgebenden Orientierungsmarke jugendlicher Verhaltensmuster geworden ist.»

Der humoreske Mehrwert, der dabei der Figur des Hakan zu entnehmen ist, liegt meines Erachtens in der Verknüpfung verschiedener inhaltlicher Bezugsmöglichkeiten: Einerseits ist der virile Gestus des Türstehers dem (jugendlichen) Publikum aus der Praxis der eigenen Abendgestaltung sicher vertraut. Andererseits spiegeln sich in der Verweigerung zum Eintritt in den Nachtklub die gesellschaftlichen Ein» und Ausschlussverfahren, die viele Jugendliche in Deutschland in prinzipieller Weise erfahren müssen. Dass die Mitteilung des Ausschlusses im südosteuropäisch eingefärbten Akzent vorgetragen wird, markiert das subversive Moment der Szene: Die anonyme (hochdeutsche) Sprache der Macht wird auf die Kommunikationspraxen der Jugendlichen heruntergebrochen und damit im Sinne des Empowerment sozial handhabbar gemacht. Die Figur Hakan kann damit, wie Kaya Yanar selber immer wieder betont, auf „unkürrekte“ Weise zur „Völkerverständigung“ beitragen.

Versteht man die Akteure der Ethno-Comedy auf diese Weise als irrlichternde Widergänger kultureller Festlegung, so liegt alleine in dieser Zuschreibung immer noch die Schwierigkeit eines klassifizierenden Denkens, das sich einmal mehr nicht von den Kategorisierungen kultureller Essentialisierung zu lösen vermag. Gibt der Ethno-Comedian sich und sein Publikum einem Spiel mit den Codes kultureller Zuschreibung hin, muss der Versuch seiner Situierung in einem Zwischenraum von implizit als homogen gedachten Kulturformationen ins Leere laufen. Die Frage nach dem ,Wesen‘ der Ethno-Comedy bleibt falschen, in Letztbegründungszusammenhängen argumentierenden Denkfiguren verhaftet, sie muss – so schlage ich vor – durch Fragen nach dem ‚wie‘ der Performance des Comedians ersetzt werden. Eine solche Analyseperspektive, die ihr Augenmerk auf die medialen Effekte lenkt, die die Vertreter des transkulturellen Humors in der Art und Weise ihrer Selbstrepräsentation erzielen, verbleibt bewusst an der Oberfläche zu beobachtender Erscheinungen und Interaktionen, Sie sucht nach solchen Formen symbolischen Handelns, die in nicht-denunziatorischer Absicht gängige Erwartungen unterlaufen und so – im besten Falle – einen subversiven Prozess der partiellen Erosion gesellschaftlicher Dichotomisierungen und Stereotypisierungen initiieren.

Konkret lassen sich mit Blick auf die Ethno-Comedy zwei verschiedene Handlungs- und Symbolfelder unterscheiden, die dazu eingesetzt werden, auf humoreske Weise ein Moment der kulturellen Verflüssigung zu erzeugen. In der Performance des einzelnen Comedians in oszillierender Weise miteinander verwoben, sollen diese beiden Ebenen transkultureller Subversion – sprachlicher Ausdruck und habituelle Inszenierung auf der einen Seite, der inhaltliche Diskurs auf der anderen e hier getrennt von einander dargestellt werden. Wichtig ist daher, im Blick zu behalten, dass diese verschiedenen Mitteilungsebenen im Hinblick auf die Erörterung ihrer publikumsorientierten Wirkung oftmals gemeinsam beobachtet werden müssen.

Sprache und Habitus: Kaya Yanar

Der wohl bekannteste Vertreter einer vor allem sprachlich konfigurierten Ethno-Comedy ist der schon genannte Kaya Yanar. Seine mit einer Vielzahl von Fernsehpreisen prämierte Sendung Was guckst Du?!, eine Mischung aus Stand-up-Nummem, filmischen Sketchen und allerlei Kuriositäten aus den Archiven der globalen Medienlandschaft, bezog ihre Originalität bei der Einführung 2001 aus der konsequenten Transponierung eines deutsch-türkischen Sprachmixes auf die Bühne massenmedialer Abendunterhaltung a la Harald Schmidt und Stefan Raab. Das von Yanar in multiplen Variationen durchgespielte Prinzip der ,Kanak-Sprak‘, deren Inszenierung auch von Feridun Zaimoglu eine Zeit lang ein emanzipatorisches Potenzial zugetraut wurde, lebt davon, auf der Ebene von Grammatik und Intonation die Konventionen des Hochdeutschen zu unterlaufen und auf diese Weise eine Gemeinschaft der Anderssprechenden zu konstituieren, Indem Yanar in seinen Fernsehnarrativen eine Spannung zwischen den von ihm phasenweise gesprochenen Tonlagen des Hochdeutschen, des Gastarbeiterdeutschen und der Migrantensprache erzeugt, gelingt es ihm auf einer Subebene, Perspektiven von Identität und Differenz ins Spiel zu bringen. Auf der inhaltlichen Ebene verbleibt Yanars Komik im Bereich von Stand-up-Comedy und Slapstik, mit dem Ziel, „Comedy und Ausländer zusammen zu denken“ und „dieses multikulturelle Phänomen ein bisschen zu entschärfen.“

Wichtig ist unter dieser Leitlinie, dass War guckst Du!? darauf verzichtet, ethnische Hierarchien zu etablieren und zudem inhaltlich auf der Ebene von Alltagsbegebenheiten verbleibt. Brisante Aspekte von Politik und Religion vermeidend, werden alle zugleich verspottet, auf eine stereotypensensible, nie bösartige Weise, die viel Sorgfalt auf die Zeichnung der präsentierten Figuren verwendet. Der den einzelnen Minoritäten zugeordnete Ethnolekt unterstützt diese (im Angesicht überhitzter Kulturkampfdebatten) „heilsame Naivität“ und stiftet eine Einheit in der Vielheit der Klangfarben, die Distinktionsmechanismen negiert und damit die Unschärfen kultureller Grenzziehungen veranschaulicht.

Xenophobe Überlegenheitsbedürfnisse

Eher grobschlachtig kommen im Gegensatz hierzu die Fernsehformate von Erkan und Stefan sowie die Programme der Formation Mundstuhl daher. Die Ebene der sprachlichen Differenzierung erweist sich in Relation zu der Arbeitsweise Yanars als deutlich reduzierter. Zwar werden auch von diesen Comedians schablonenhaft lautliche und grammatikalische Aspekte des Ethnolekts in die Comedy inkorporiert, doch sind die Verlaufs- und Nuancierungskurven deutlich eindimensionaler nach der seriellen Formel „Ich schwör dir, Alder, korrekt, krass“ gestrickt. Typische Requisiten und Accessoires wie Handy und Jogginganzug vervollständigen das Bild, das sich, dergestalt zum Klischee-Türken verdichtet, in der wiederholenden Inszenierung seiner eigenen Sichtbarkeit erschöpft, gleichwohl aber aufgrund seiner Schlichtheit ein breites Kompatibilitätsspektrum für die zitierende Indienststellung im Alltag des zumeist jugendlichen Publikums bereitstellt. Gerade bei dem deutschen Duo Mundstuhl ist, wie der Rapper und Autor Murat Güngör anmerkt, die Grenze zur Bedienung xenophober Überlegenheitsbedürfnisse des Publikums fließend: ,„Scheiße labern‘ bedeutete für [das Mundstuhl-Duo] Lars [Niedereichholz] und Andre [Werner], sich die gebrochene Sprachkultur von Migranten in Deutschland anzueignen und ins Lächerliche zu ziehen. Die sprachlichen Codes proletarischen migrantischen Sprechens gelangten so in die deutsche Unterhaltungsindustrie, wobei allerdings der soziale Kontext und der gesellschaftliche Hintergrund ausgeblendet wurden. So kann man sich prima über ‚die Ausländer‘ lustig machen.“

«Während die Ethno-Comedy auf der vergnüglichen Ebene der spöttelnden Deskription verweilt, begibt sich Omurca auf den Pfad der normativen Einforderung van Anrechten und Anerkennung der Migranten und politisiert damit den transkulturellen Humor entschieden.»


Politischer Diskurs: Muhsin Omurca

Während die tendenziell eher harmlose Variante der Ethno-Comedy a la Was guckst du?! ihr Quotenpotenzial nicht zuletzt daraus ableitet, dass unter Heranziehung der Elemente Sprache und Habitus verschiedene Bevölkerungsteile zum Objekt des Spottes gemacht werden und damit ein politisches Gleichgewicht hergestellt wird, bezieht Muhsin Omurca mit seinen Kabarettprogrammen Tagebuch einer Skinheads (1998), KANAKMÄN tags deutscher nachts türke (2002-2004) und TRäume – alptrEUme (2004) sehr viel eindeutiger Position für die Interessen der Migranten. Anders als bei den zuvor angesprochenen Comedians artikuliert sich in der von Omurca popuIarisierten Figur des ,Superhelden‘ Kanakmän Hüsnü – dessen Alltagserlebnisse und imaginierte Heldentaten auch in einem gleichnamigen Comic-Strip dokumentiert sind – ein elaborierter Diskurs soziokultureller Emanzipation. Während die Ethno-Comedy auf der vergnüglichen Ebene der spöttelnden Deskription verweilt, begibt sich Omurca, der schon 1985 zusammen mit Sinasi Dikmen das erste deutsch-türkische Kabarett Knobi-Bonbon gegründet hatte, auf den Pfad der normativen Einforderung von Anrechten und Anerkennung der Migranten und politisiert damit den transkulturellen Humor entschieden. Inhalt der von Omurca in unterschiedlichsten Konstellationen inszenierten Migranten-Satire —Leitmotiv bei seinen Bühnenprogrammen sind auf eine Leinwand projizierte Cartoons, die die Figuren des jeweiligen Bühnenprogramms in der Interaktion mit ihrer ,fremden‘ Umgebung zeigen — ist demnach auch weniger die unmittelbare Darstellung habitueller und sprachlicher Stereotype. Ihm geht es in einem sehr viel umfassenderen Sinne um die gesellschaftliche und politische Praxis im Umgang mit dem Problem der Migration. Zwar entwickelt auch Omurca einen detaillierten Sprachcode, der verschiedenen Figuren zugeordnet wird. Dieser stagniert aber nicht in selbstreferentieller Rekursivität, sondern markiert Positionen im Feld sozialer und politischer Macht. Diese Machteffekte werden nicht abstrakt abgehandelt, sondern etablieren sich in Szenarios der jeweils aktuellen Gegenwartspolitik, die in ihren Effekten auf das Leben der Migranten in Deutschland satirisch überspitzt dargestellt werden. Kanakmän, der dem amerikanischen Superhelden Superman nachempfunden ist, bewältigt den Identitätsspagat zwischen zwei Nationalitäten, Kulturen und Sprachen in der Rolle seines Alltags-Ichs – des etwas langweiligen Hüsnü – mehr schlecht als recht. Er verwandelt sich nur in seiner Imagination in sein alter ego des  außerordentlichen Helden, der dazu auserkoren ist, die geschundenen Migranten in Deutschland zu rächen. Die deutsche Normalität, mit der Hüsnü sich auseinanderzusetzen hat und die auf der narrativen Ebene einen weitaus größeren Raum als der Ausnahmezustand einnimmt, ist äußerst restriktiv. So findet er sich in einem Sketch zusammen mit seiner Frau in Zwangsdirndl und Zwangslederhosen versetzt – eine Anspielung auf die scharfe Ausländergesetzgebung der bayrischen Regierung Stoiber. In einer anderen Episode, die auch in dem Comic Kanakmän zu betrachten ist, betreibt der bayrische Ministerpräsident zusammen mit einem Österreicher namens HAYDAR eine Schießbude. Wer 30 Blechasylanten abschießt, bekommt als Belohnung ein von beiden verfasstes Buch mit dem Titel Unser Kampf. Offensiv geht Omurca gegen eine Einwanderungspolitik vor, die vollständige Assimilation als Grundprinzip von Integration begreift. Dass solch eine Haltung der radikalisierten Leitkultur nie den gewünschten Erfolg erzielen kann und selbst die willentliche Mitarbeit der Minorisierten an die Grenzen essentialistischer Einordnung stößt, zeigt die folgende Episode: Hüsnü, der mittlerweile eingebürgert wurde und einen deutschen Pass besitzt, gerät in eine deutsche Verkehrskontrolle. Zunächst wird er ob seines südeuropäischen Aussehens für einen italienischen Mafiaboss gehalten. Als er diese Verdächtigung mittels seines deutschen Passes zu entkräften trachtet, ruft der deutsche Polizist seinem Chef zu: „Hier ist ein getürkter Deutscher! So’n doppelt gemoppelterl“

Einheit in der Vielfalt statt Anpassung an die Umgebungsgesellschaft

Markieren die obigen Beispiele Differenzen zwischen rechtlicher Gleichstellung einerseits und der Praxis alltäglicher Ein- und Ausschließungen andererseits, so thematisiert Omurca in einer Reihe weiterer Sketche und Karikaturen, was es für die betroffenen Migranten bedeutet, sich in so massiver Weise den normativen und habituellen Vorstellungen der Umgebungsgesellschaft anzupassen. Das Resultat für die „Ex-Türken“ ist ein Identitätsverlust, der ein omnipräsentes Fremdheitsgefühl und – hieraus resultierend – einen Prozess der Dis-Integration evoziert. So persifliert Omurca die nach der Jahrtausendwende umgehende BSE-Hysterie als gewiefte Strategie, den im xenophoben Deutschland lebenden Türken die mit dem Verkauf von Döner-Kebab erworbene Lebensgrundlage zu entziehen. Ein türkischstämmiger Gefreiter der Bundeswehr, der sich weigert, die aus Schweinefleisch bestehende Essensration zu akzeptieren, muss mit anhören, wie sein Vorgesetzter zu einem weiteren Soldaten sagt: „Kaufen Sie Ali, diesem schlechten Plagiat eines Deutschen, Hammel- und Rindfleisch aus England!“ Hüsnü selbst fühlt sich nach Abgabe seines türkischen Passes als ein deutscher Eunuch, dem mit seiner Männlichkeit sein Bezug zur Welt verloren gegangen ist.” Insgesamt ist das Deutschland Kanakmäns eines der Fremdheit, dem auch die überfremdungsgeängstigten Deutschen durch Reisen ins Ausland – vorzugsweise mit dem Billigflieger an die Strände der Türkei – zu entkommen trachten. Schon sein Debüt-Soloprogramm hatte Omurca damit begonnen, dass ein türkischer Charakter aus einem Alptraum erwacht und davon berichtet, wie er sich selbst als ein Poster an einer Wand erlebt hatte: „Ich bin platt. Bin nur noch zweidimensional. Nichts als eine Radierung eines Türken. Ein Blatt Türke.“” Der Türke als gezeichnete Person, als gesellschaftliche Konstruktion, die ohne weiteres ausradiert und überzeichnet werden kann – ein treffendes Bild vor allem für die Projektionen und Fehlkommunikationen der tradierten Multikulturalismusdebatte der 1980er und l990€r Jahre.
Als positives Gegenkonzept zu der mit der Idee der Leitkultur verknüpften Vorstellung von gelungener Integration als Aufgabe der eigenen Identität und den hiermit einhergehenden Machteffekten scheint in Omurcas Programmen immer wieder die Forderung nach einer Einheit in der Vielfalt auf. Paradigmatisch für eine solche Propagierung einer hybriden Kultur stehen die Gesangs- und Musikeinlagen, mit denen der Künstler einen Kontraton zum dargestellten Entfremdungsgeschehen setzt. Besonders gelungen erscheint eine türkische – d. h. in der Perspektive des Figurenensembles ‚getürkte‘ – Version der deutschen Nationalhymne, die Omurca, mit türkischen Instrumenten und im orientalischen Stil eingespielt, leitmotivisch einsetzt. Einerseits auf die aktuelle gesellschaftspolitische Verflechtung deutscher und türkischer Kulturvorstellungen bezogen, verweist das Instrumentalstück zugleich auf eine gemeinsame zivilgesellschaftliche Tradition, die in der deutschen Geschichte nach 1945 gar nicht mehr nationalkulturell gedacht werden kann.

Omurcas Kabarett «stellt ziemlich deutlich die Frage nach gesellschaftlichen Machtverhältnissen und hält dabei Deutschen wie Türken immer wieder den Spiegel selbstverschuldeten Schubladendenkens vor.»

Transkultureller Humor zwischen harmloser Spöttelei und soziologischer Feldforschung

Summa summarum kann man feststellen, dass das Kabarett Omurcas deutlich politisierter ist als die televisionären Parallelprojekte von Akteuren wie Kaya Yanar oder Erkan und Stefan. Alle Vertreter des transkulturellen Humors in Deutschland arbeiten sich an den gesellschaftlich kommunizierten Vorstellungen über das Fremde und das Eigene ab und visualisieren die hierbei beobachteten Interaktionsmuster anhand personeller Figurationen, denen sprachliche und habituelle Stereotype beigeordnet werden, Während aber die seriellen Fernsehformate der Ethno-Comedy sich strikt davor hüten, die Grenze harmloser und im Gestus der Versöhnlichkeit vorgetragenen Spöttelei zu überschreiten, betreibt Omurca soziologische Feldforschung mit den Mitteln des Kabaretts. Es stellt – u. a. vermittelt über das Schicksal der Figur Kanakmän – ziemlich deutlich die Frage nach gesellschaftlichen Machtverhältnissen und hält dabei Deutschen wie Türken immer wieder den Spiegel selbstverschuldeten Schubladendenkens vor.

Subversive Humorproduktion in der medialisierten Konsumgesellschaft

Abschließend ist auf einen Einwand aufmerksam zu machen, der Murat Güngörs Kritik an dem Duo Mundstuhl in prinzipieller Weise auf die Frage nach der Reichweite popkultureller Subversion unter den Bedingungen der medialisierten Konsumgesellschaft ausweitet. Schon Adorno und Horkheimer hatten in ihrer Arbeit über die Kulturindustrie herausgestellt, dass die Stärke des kapitalistischen Marktes unter anderem darin begründet ist, dass es ihm gelinge, kritisch intendierte Strategien der Gegenkultur als Momente der Distinktion in das Marktgeschehen einzubinden und sie damit beherrschbar zu machen. Ähnliches gilt natürlich auch für das Feld transkulturellen Humors. Wie Mark Terkessidis, einer der besten Kenner popkultureller Hybridphänomene, feststellt, wird in der Diskussion „nur allzu oft übersehen, dass sich hinter der Fassade vom ‚freien Spiel der Kulturen‘ meist weiterhin die altbekannten ökonomischen und politischen Machtstrukturen verbergen. Es gilt also, die postmoderne Insistenz auf Differenzen ernst zu nehmen und zwischen gelebter Hybridität und ihrem Zerrbild in den Diskursen der Konsumgesellschaft zu unterscheiden.“ Transkultureller Humor kann in der Gegenwartskultur die wichtige Funktion der (Selbst-)Aufklärung übernehmen – eine vernünftige Integrationspolitik ersetzt er gleichwohl nicht.

Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung von: Prof. Dr. Lars Koch:
Das Lachen der Subalternen. Die Ethno-Comedy in Deutschland, in: Waltraud >Wara< Wende (Hg): Wie die Welt lacht. Lachkulturen im Vergleich, Würzburg: Königshausen & Neumann 2008, S. 208-223.

Prof. Dr. Lars Koch, Literatur- und Medienwissenschaftler. Seit Mai 2014 Professor für Medienwissenschaft und Neuere deutsche Literatur an der TU Dresden und seit Januar 2013 PI der ERC Starting Grant-Forschergruppe „The Principle of Disruption“.